Seit über 20 Jahren setzt sich die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) dafür ein, dass Reiten in den Schulalltag integriert wird. Zur Zeit sind dem FN-Arbeitskreis Schulsport etwa 1.800 Schulen und Kindergärten bekannt, die bundesweit eine Kooperation mit Pferdesportvereinen oder Pferdebetrieben eingegangen sind und versuchen, den Reitsport in das Angebot der Schule zu integrieren.
Für viele Schüler gehören heute Reitprojekte und Reitunterricht zwar schon zum Schulalltag, "aber leider ist es uns noch immer nicht hundertprozentig gelungen, der breiten Öffentlichkeit klar zu machen, wie wertvoll aus pädagogischer Sicht der Umgang mit einem Pferd für Kinder ist," sagt Maria Schierhölter-Otte, Leiterin der FN-Abteilung Jugend. "Deshalb ist es unser Ziel, das Pferd und den Pferdesport noch stärker in der Schule zu verankern."
Pferde stärken das Selbstwertgefühl
Wichtig ist es also, dass die Reitvereine und -betriebe noch aktiver werden, um Pädagogen und Politikern, die einzigartigen Möglichkeiten des Reitsports zu vermitteln. Reiten ist die einzige Sportart, die mit einem Lebewesen in partnerschaftlicher Weise gelernt und ausgeübt wird. Dadurch kann das Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen gestärkt und die Konzentrationsfähigkeit sowie das Verantwortungsbewusstsein geschult werden. Das Erlernen des Reitens kann die Lernbereitschaft fördern und sich so positiv auf die schulischen Leistungen auswirken. Ebenso wird die Beweglichkeit und Koordination der Schüler verbessert, wodurch dem Reitsport auch gesundheitsfördernde Aspekte zukommen.
"Reitvereine müssen auf die Schulen zugehen"
"Die Pferdesportvereine müssen aber auch akzeptieren, dass die Reitschüler von morgen nicht mehr automatisch in die Vereine kommen, sondern dass sie selber auf Schulen und Kindergärten zugehen müssen. Der demographische Wandel und die Einführung der verkürzten Gymnasialzeit verlangt eine flexiblere Ausrichtung des Vereinsangebotes", macht Schierhölter-Otte zusätzlich deutlich, dass die Eigeninitiative der Reitvereine in Zukunft noch stärker gefragt sein wird. Auch die Einführung der Gesamtschule kann negative Auswirkungen auf die Existenz der Reitvereine haben, andererseits bietet sie aber auch Chancen für die Etablierung des Reitsports.
Welche Angebotsmöglichkeiten gibt es?
Der Kreativität der Vereine sind keine Grenzen gesetzt. Die Erfahrungen haben aber gezeigt, dass sich Angebote in Zusammenarbeit mit der Schule vor allem außerhalb des Regelunterrichts umsetzen lassen. So dienen sie mehr dem Breitensport und der Nachwuchsförderung als dem Leistungssport. Folgende Beispiele sollen einen Einblick in die vielfältigen Möglichkeiten im Schulwesen bieten. Dazu gehört natürlich auch das Voltigieren.
Arbeitsgemeinschaften finden in der Regel am Nachmittag und auf freiwilliger Basis statt. Im Mittelpunkt der sogenannten AGs steht der Einstieg in das Reiten oder Voltigieren. In Theorie und Praxis werden die Schüler an den Umgang mit dem Pferd herangeführt. Je nach Intensität kann das Ablegen eines FN-Motivations- oder Leistungsabzeichens angeboten werden. Reiten oder Voltigieren als Wahlfach findet einmal wöchentlich an zwei Stunden am Nachmittag statt, die Teilnahme wird im Zeugnis vermerkt.
In den Förderunterricht an Grund- und Förderschulen lässt sich der Umgang mit dem Pferd und Reitmaßnahmen besonders sinnvoll einbringen. Gleiches gilt für Projekte in Kindergärten und Kindertagesstätten.
Mit einem schlüssigen und ausgefeilten Programm kann ein Schultag als Veranstaltung genutzt werden, um allen Schülern Pferde und das Reiten näher zu bringen. Je nach regionalen Gestaltungsmöglichkeiten werden Schulsporttage von Schülern, Eltern und Lehrern gemeinsam organisiert.
Projekttage und -wochen bieten die Möglichkeiten, erst einmal in neue Sportarten hinein zu schnuppern. Der Reit- und Voltigiersport als Angebot kann sehr attraktiv sein, und vielleicht lässt sich ein Lehrerkollegium ja davon überzeugen...
Die Anlagen von Reitvereinen, Reitbetrieben oder Reitsportzentren können eine Alternative zu sonstigen Ausflugszielen sein. Ein Tag mit den Pferden sollte für Schüler doch interessant und spannend sein.
Hier gilt gleiches wie bei den Klassenausflügen: Geeignete Reiterhöfe oder auf Reiterferien spezialisierte Anlagen bieten die Möglichkeiten für Schüler, den Pferdesport und das Lebewesen Pferd über einen längeren Zeitraum in Ruhe kennenzulernen. Innerhalb dieser Angebote sollen Schüler neben den traditionellen Sportarten auch neue oder Randsportarten kennenlernen.
Diese Veranstaltungen der Landesverbände Weser-Ems, Sachsen, Bayern und Hannover bieten Wettbewerbe gezielt für Schüler an. Je nach Ausschreibungen sind diese Veranstaltungen gezielt auf den Schulsport ausgerichtet. Hier haben die Schüler die Möglichkeit, sich in Wettkampfform im Reitsport zu präsentieren.
Gibt es Reiten auch als Schulfach?
In Kursen der Sekundarstufe II wird Reiten in wenigen staatlichen Schulen auch als Bestandteil des Sportunterrichtes angeboten. Hier müssen alle Bedingungen stimmen und erfüllt werden. Da der Unterricht mit Pferden natürlich mit Zusatzkosten verbunden ist, müssen hier alle Maßnahmen mit der Schulbehörde abgestimmt worden sein. Auch Lehrer müssen für den Unterricht freigestellt werden.
Anders sieht es da bei Privatschulen und Internaten aus. Beispielsweise in der staatlich anerkannten Privatschule – Gymnasium Villa Elisabeth – wird Reiten auch als Schulfach angeboten. Die Ausbildung erfolgt auf einem Reiterhof, auch die Teilnahme mit eigenem Pferd ist möglich. Im benoteten Reitkurs während des Sportunterrichts ist der Basispass Pferdekunde Voraussetzung. Das Reitvermögen sowie das theoretische Wissen fließen in die Schulnote ein. Abnahme der Reitabzeichen (FN) ist möglich.
Die Aufnahme und der Besuch der Schulen sind mit Kosten verbunden.
Talentförderung in Hessen
Seit 2007 besteht in Hessen die Möglichkeit, dass Reittalente im Rahmen des Schulunterrichts gefördert werden. Dieses wohl in Deutschland einmalige Projekt ist Teil des hessischen Landesprogramms "Talentsuche – Talentförderung". Die Trägerschaft hat das Hessische Kultusministerium in Kooperation mit dem Landessportbund und seiner Landesfachverbände übernommen.
Vorzeigeprojekt Neustadt/Dosse
Das Projekt "Reiten in der Schule" in Neustadt/Dosse ist einzigartig in Deutschland und wird in Zusammenarbeit mit der Prinz von Homburg Schule, dem Landesverband Pferdesport Berlin-Brandenburg und dem Internat Schloss Spiegelberg durchgeführt. In Neustadt an der Dosse wird für viele Schüler ein Traum Wirklichkeit - Reiten als Unterrichtsfach.
Seit 2001 gibt es die Zusammenarbeit der Prinz-von-Homburg-Schule und dem Landgestüt Neustadt/Dosse. Hier wurde die Integration des Pferdesports in den Schulunterricht vollzogen. Reiten ist für viele Schülerinnen und Schüler in Neustadt fester Bestandteil des Stundenplans. Seit 2009 fungiert die Neustädter Schule nunmehr als "Schule besonderer Prägung" und kann neben dem Wahlpflichtfach eine spezielle Begabungsförderung im Reitsport anbieten. Hier steht die Förderung des Reitens als Leistungssport im Vordergrund. Die Schüler müssen eine Aufnahmeprüfung bestehen.
Voraussetzung ist ein Umzug der Schüler nach Neustadt/Dosse, wodurch Kosten für das Internat oder Wohnheim und die Unterbringung der Pferde anfallen.